Gedanken von unterwegs - #1 Resonanzerfahrungen in Berlin

Resonanz | Methoden | Sensing the Essence | Autor: Marcus Lärz | 05.04.2023

Lange ist es her, Berlin...


Als ich am Donnerstag die Straße des 17. Juni in Richtung Siegessäule entlangfahre, wird mir bewusst, wie lange ich nicht mehr in Berlin war. Es sind schon mehr als zehn Jahre seit meinem letzten Besuch vergangen. Im Jahr 2012 habe ich meine Mediationsausbildung in Berlin bei klären und lösen genossen. Dazwischen nichts, keine Beziehung zu und keine Resonanz mit Berlin. Kurzzeitig fühle ich mich beschämt, dann empört und erschrocken und letztendlich beseelt und unbeeindruckt. Zum einen bin ich ja jetzt wieder hier und zum anderen, hat einfach jede Menge Leben in der Zwischenzeit stattgefunden – auch ohne Hauptstadt.

 

Diesmal führt mich meine Reise zu einer Weiterbildung namens Sensing the Essence am Institut für Facilitation. Es geht um Facilitation, also um die Begleitung von Gruppen und Teams. Und gleichzeitig um soviel mehr, um die eigene Rolle als Facilitator, um Resonazerfahrungen, um Teamdynamiken und Gruppenprozesse. Es geht darum, wie wir Menschen in diesen Prozessen, meist in Phasen der Veränderung, wirkungsvoll und nachhaltig begleiten können. 

 

Ankommen, Begrüßung, Check in, die ersten freundlichen Worte der Lehrcoaches Daniela und Marco verstärken (m)ein positives Gefühl zu dieser Weiterbildung. Ich fühle mich im Mina Lucet Willkommen. (Allein das ist eine großartige Geschichte: Mina ist die Kurzform der Minerva. Die römische Göttin der Weisheit und Hüterin des Wissens. Lucet ist ein lateinisches Wort für es ist Tag oder es leuchtet.) Das Mina Lucet ist also der Ort, an dem wir uns in den kommenden sechs Monaten entfalten werden. 

Die Gunst der Stunde


Heute hier soll es kurz um zwei Methoden zum Einstieg gehen. Ich bin mir gar nicht mehr richtig sicher, meine jedoch, dass die erste Übung/ Methode „Gunst der Stunde“ heißt.

 

Mini-Exkurs: Auf der Fahrt nach Berlin habe ich im Auto den Podcast Hotel Matze von Matze Hielscher gehört. Darin interviewt er in Folge #221 Ulrich Wickert – Mr. Tagesthemen. Fast drei Stunden große Unterhaltung und Weitsicht zu vielen Lebensthemen. In diesem Interview nun, sprechen die beiden an einer Stelle auch/ ebenfalls über die „Gunst der Stunde“. Darüber, dass dich in einer bestimmten Rolle, zu einer bestimmten Zeit Macht und Privilegien auf- oder heimsuchen können. Es gelte dann, in der Gunst der Stunde, diese Macht zum Wohle aller, für das Leben und das Gute großzügig und klar einzusetzen. Im Prinzip gilt, wenn du handeln kannst, handle. Wenn du mit Macht ausgestattet wirst, erfülle deine Pflicht und nutze sie, werde wirksam und stell dich der Lebensfrage(n). Wie lebt man? 

 

Zurück zur Methode Gunst der Stunde. Wir teilen unsere Großgruppe, zu der sich stolze 18 Teilnehmer_innen zusammenfinden in überschaubare vierer bis fünfer Gruppen auf. Eine(r) aus der Kleingruppe tritt nun in deren Mitte. Die restlichen Personen haben drei Minuten Zeit, ihre Hypothesen, Vermutungen, erste Eindrücke zu der Person in der Mitte zu teilen. Es geht darum, zu spüren, was da in uns resoniert. Was in der/ dem anderen klingt bei uns an? Völlig fremde Menschen stehen sich also gegenüber und stellen wertschätzende, das ist wichtig, Vermutungen über die, den, das Fremde an. Der Mensch in der Mitte legt ein Pokerface auf und notiert sich stoisch die Hypothesen aus der Gruppe. Es wird nichts bejaht oder verneint. Die Auflösung dazu erfolgt später im Plenum. Es geht reihum, bis jeder einmal in der Mitte stand. Sie oder er hört also allerhand Vermutungen, Meinungen, erste Eindrücke über sich selbst. Völlig fremde Menschen äußern auf Grundlage der ersten Eindrücke und zarter Resonanzerfahrungen im Feld, ihre Vermutungen. Nach ca. 15-20 Minuten sind die Kleingruppen durch und es geht zurück ins Plenum. 

Hier beginnt die eigentliche Vorstellungsrunde und die Teilnehmer_innen sind angehalten in max. drei Minuten, die gehörten Thesen zu benennen und deren Wahrheitsgehalt offenzulegen. Gerne kann darüber hinaus berichtet werden, was sonst erzählenswert erscheint. In der Regel sind die drei Minuten jedoch eher knapp bemessen, da ein nicht unerheblicher Teil dieser Zeit dafür verwendet wird, Erstaunen und Verblüffung darüber auszudrücken, wie hoch die Trefferquote der anderen Teilnehmer_innen tatsächlich war. Wir Menschen sind soziale Wesen und brauchen einander. Diese Erkenntnis ist nicht neu und dennoch ist es immer wieder bewundernswert, was da im Feld so zwischen uns schwingt. Hin und wieder liegt man/ frau natürlich mal daneben, wir sind schließlich keine Profiler des FBI oder dergleichen. Doch darum geht es hier auch nicht. Hier wird Interdependenz sichtbar und erlebbar. 

May I´ve your Intention, please?


In der zweiten Methode, die ich kurz vorstellen möchte, geht es um die Klärung der eigenen Intentionen zur Weiterbildung. Kurz: Warum bin ich eigentlich hier? 

Begonnen hat diese Sequenz mit einer Art Aufstellungsarbeit. Auf dem Boden im Raum lagen drei Zettel mit den Begriffen „Denken“, „Beziehen“ und „Tun“. Die begleitende Aufgabe ist es, durch Bewegung nachzuspüren, wo es einen so hinzieht. Kopf aus, Intention an. Wo liegt deine Motivation? Mit welchen Begriffen kannst du dich am ehesten verbinden? Das Feld ist erstmal in Bewegung. Gefallen hat mir eine Formulierung von Daniela: „Dein Körper hilft dir auszudrücken, wozu du stehen kannst.“ Das Unterbewusste wirkt, wusste bereits S. Freud. 

Nach dieser ersten Klärung, dem ersten Hinschauen und Einspüren in die eigene Intention, sind wir angehalten eine Leitfrage zu formulieren. Wie … damit …? 

Als Beispiel: Wie möchte ich als Facilitator agieren, damit ich meine Gruppen souverän im Prozess begleiten werde? 

Zur Tieferlegung der eigenen Absichten, haben wir uns dann vier Fragen zugewandt: 

1.      Was kann ich selbst dazu beitragen? 

2.      Was brauche ich für äußere Ressourcen/ Umstände/ Unterstützung? 

3.      Wie sieht es aus, wenn es sich erfüllt hat? 

4.      Was ist die Schwelle/ Herausforderung? 


Ich empfand den Einstieg und die Klärung zur Intention sehr hilfreich und unterstützend. Er half mir meine Absichten klar(er) zu bekommen. Die Arbeit in der Stille, umgeben von Menschen, die die selben Fragen in ihrer Stille zu klären suchten, fand ich wohltuend. So nutzt man Zeit zum Ankommen und Einchecken. Die Stille hilft. 

 

Es ist meine Absicht, immer mal wieder meine Eindrücke aus Berlin mit euch zu teilen. 

Auf bald…